
Der Schulstart langsam rückt näher – Eltern von „Kann-Kindern“ müssen entscheiden: jetzt einschulen oder lieber warten? Ein Experte gibt wertvolle Ratschläge.
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Wenn ein Kind ein sogenanntes „Kann-Kind“ ist, also vorzeitig eingeschult werden kann, ist ja die Hauptfrage: Wie finde ich heraus, ob es schulreif ist?
Armin Krenz: Zunächst eine kleine fachliche Anmerkung: früher sprach man von „Schulreife“, heute werden die Begriffe „Schulfähigkeit“ beziehungsweise „Schulbereitschaft“ benutzt, weil einerseits der Teilbegriff „Reife“ die Vorstellung provoziert, mit zunehmendem Alter „reife“ jedes Kind körperlich und kognitiv heran. Andererseits wird Schulfähigkeit oder Schulbereitschaft seit Jahren sehr viel umfassender betrachtet.
Wann schulten Eltern ihr Kind zu früh ein – und wann warten sie zu lange?
Eine vorhandene Schulfähigkeit oder Schulbereitschaft ergibt sich immer aus vier Kompetenzfeldern: einer emotionalen, motorischen, sozialen und kognitiven Schulfähigkeit.
Dazu zählen vor allem seelische Stabilität, Belastbarkeit, eine größere Portion Selbstsicherheit, ein grundsätzlich vorhandenes Regelbewusstsein, Lerninteresse und Neugierde, ein Bündel an sozialen Verhaltensweisen sowie Entspannungsfähigkeiten, Ausdauer, Zuversicht und ein gewisses Maß an Konzentrationsfertigkeit.
Da jedes Kind ein „Unikat“ ist, ist die Stichtagregelung in Deutschland nur bedingt hilfreich.
Fünf Dinge können festgehalten werden:
- Nicht das Stichtagsalter ist entscheidend, sondern das Vorhandensein bestimmter Fertigkeiten.
- Britische, US-amerikanische und deutsche Studien weisen deutlich darauf hin, dass die Schulfähigkeit bei sechsjährigen Kindern deutlich stärker vorhanden ist als bei fünfjährigen.
- Vorzeitig eingeschulte Kinder wiederholen häufiger eine Klasse.
- Bei zu früh eingeschulten Kindern ziehen sich nicht selten Fertigkeitsmängel durch die folgenden Schuljahre.
- Wenn die Kita eine spannende, kommunikationsreiche und selbstständigkeitsfördernde, situationsorientierte Pädagogik mit handlungsaktiven Projekten anbietet, kann eine spätere Einschulung keine entwicklungshinderlichen Folgen hervorbringen.
Sollten Eltern ihr Kann-Kind, wenn es noch ein Jahr länger in den Kindergarten geht, zusätzlich intellektuell fördern, zum Beispiel mit Musik- oder Sprachunterricht?
Es geht bei einem Aufbau der Schulfähigkeit – im Gegensatz zur landläufigen Meinung vieler Erwachsener – nicht primär um eine intellektuelle Förderung. Das ist eine immer wiederkehrende Fehlannahme und würde am vorhandenen Problem vorbeiführen.
Vielmehr muss es darum gehen, mit Kindern Rollen-, Musik-, Theater-, Fantasie-, Bewegungsspiele zu erleben, alltagsorientierte Gespräche zu führen, Umfelderkundungen zu unternehmen sowie die Selbstständigkeit der Kinder auszubauen, das Selbstwertgefühl von Kindern zu stärken und ihre Neugierde auf Neues anzusprechen!
Die Schulbereitschaft setzt sich in erster Linie aus den Fertigkeiten Lernmotivation, Lernbereitschaft und Lernfreude zusammen. Es geht also um Persönlichkeitsmerkmale und nicht um Lernergebnisse.
Wie gehen Eltern am besten damit um, wenn das Kind das erste Schuljahr wiederholen muss?
Verschiedene Untersuchungen haben immer wieder gezeigt, dass die Grundlagen der vier basalen Kulturtechniken (Sprache/ Lesen/ Schreiben/ Rechnen) von Anfang an ein sicheres Fundament besitzen müssen.
Insofern ist bei starken Fertigkeitsdefiziten eine Klassenwiederholung gut, damit sich fehlende Basiskompetenzen mit jedem Schuljahr nicht weiter potenzieren. Doch es sollte am besten gar nicht erst durch eine zu frühe Einschulung zu einer Wiederholungsnotwendigkeit kommen.
Prof. Dr. h.c. Armin Krenz ist Wissenschaftsdozent für Elementarpädagogik und Entwicklungspsychologie und Autor des Buches „Ist mein Kind schulfähig? Ein Orientierungsbuch“ (Kösel).